Dienstag, 23. Juni 2015

Mikrohistoriker bei der Arbeit



Workshop zur Ausstellung "Kindheit in der Diktatur – „La infancia en los tiempos de dictadura"


Eröffnung: August 2017 in Düsseldorf

Fotos: Jörn Wendland, Maria Czilwik

Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Drei Monate zuvor war dieses Ereignis noch unvorstellbar. Es wurden zwar immer mehr Ausreiseanträge gestellt, eine Opposition schaffte sich erst zaghaft doch dann immer fordernder Gehör: man spürte - es war Bewegung in die erstarrten Strukturen des SED-Staates gekommen. Aber nichts deutete darauf hin, dass das ganze Staatswesen innerhalb eines Monats in sich zusammenbrechen würde. 
So dachte die 10jährige Mirjam im August 1989, sie würde Ihre Cousine „Dorle“ (Spitzname für Dorothea) nie wieder sehen. Dorle war mit ihrer Familie in den Westen ausgereist. In diesem Sommer war ein Wiedersehen für beide ungewiss. 

Das Pilotprojekt: Eine Ausstellung im Albert Schweizer Gymnasium (bilinguale Schule Deutsch/Spanisch) Hürth vom 15. bis zum 28. Juni 2015

Foto links: Schüler der 9. Klasse schreiben auf, was sie in einem Brief gelesen haben, den Mirjam ihrer Mutter im Sommer 1989 unter das Kopfkissen gelegt hatte. Darin bitte sie, in die BRD ziehen zu dürfen. Natürlich mit der ganzen Familie. Mirjams Mutter versteckte den Brief. Nun wird er zum Exponat einer Ausstellung mit dem Titel „Kindheit in der Diktatur“.




Am 15. Juni entstanden an dem Hürther Gymnasium in der nahe Köln Bilder wie dieses hier über das Leben von Félix Bruzzone aus Argentinien. Gemalt mit Buntschiften, denn in den 1970er Jahren, als Félix Eltern von der Militärregierung entführt wurden, gab es nur Buntsifte zum Zeichnen. 
Hier ist Félix' Leben als Fluss dargestellt:




Auch Félix‘ Biographie war zu Beginn des Projekttages besprochen worden. Doch die Schüler malten nicht nur, um das Gehörte und Gelesene zu interpretieren - sie recherchierten und visualisierten die vier Biografien von Kindern aus drei Ländern. Mirjam wuchs in der DDR auf, Félix in Argentinien während der Militärdiktatur (1976-1982), Gertrud war als Edelweißpiraten im Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Köln aktiv und Pedro Machuca ist die Hauptfigur eines Films, der von der Begegnung zweier gesellschaftlich völlig unterschiedlicher Kinder am Vorabend des Militärputsches in Chile (11.09.1973) erzählt.Trailer zum Film "Machuca, mein Freund":



Die Schüler der 9. Klasse arbeiteten an diesem Montag kurz vor den Sommerferien in eigener Regie an ihrer Schulausstellung über das Leben der vier Kinder und  waren nicht nur für den Inhalt sondern auch  für die Anordnung, Gestaltung und die Präsentation ihrer Werke verantwortlich. 


Der Projekttag an der Schule war der Probelauf für die Erarbeitung der Ausstellungsexponate im Februar 2016. Die Schüler mehrer Schulen werden eine Gedenkstätte der Verfolgten des NS-Regimes besuchen und im Rahmen eines Workshops Briefe, Reden, Gedichte, Bilder, Zeichnungen etc. zu diesen Biografien erstellen. Gleiches wird in Argentinien und Chile geschehen. So werden kindliche/jugendliche Interpretationen der Fragen und Gedanken der Kinder von damals entstehen. Diese Zeichnungen und Texte werden zusammen mit den Fotos, Zeichnungen und Texten von Mirjam, Félix, Gertrud und Machuca sowie 12 weiteren Kindern aus Deutschland, Argentinien und Chile im August 2017 in Düsseldorf ausgestellt werden.

Die 9. Klasse des Albert Schweizer Gymnasiums präsentiert ihre Werke in der Schule:

An der Ausstellung beteiligt sind:

Prof. Dr. Katharina Niemeyer, Romanisches Seminar Universität Köln
Victoria Torres, Romanisches Seminar, Universität Köln
Simone Habig, Konrad Adenauer Stiftung Düsseldorf
Monique Ouarzag, Konrad Adenauer Stiftung Köln
In Zusammenarbeit mit der Argentinischen Botschaft Berlin

Kuratoren: Dr. Jörn Wendland und Markus Thulin

Link zur Homepage des Albert Schweizer Gymnasiums mit einem Artikel der Schüler zum Projekttag:
http://www.asg.rinet.de/index.php/archiv2/455-la-ninez-en-tiempos-de-dictadura-kindheit-in-der-diktatur