Dienstag, 16. Oktober 2012

Vor 170 Jahren – Karl Marx wird Chefredakteur der Rheinischen Zeitung




Als er 1842 nach Köln kam, da hatte er noch nicht das „Kommunistische Manifest“ geschrieben. Der Jurist und Philosoph Karl Marx (1818-1883) war vielen Zeitgenossen unbekannt. Und doch hatte er für einen so unerfahrenen Neueinsteiger im Journalismus-Geschäft schon eine regelrechte Blitzkarriere hingelegt.

Der Kölner Zeitungsmarkt wurde damals von der „Kölnischen Zeitung“ (ab 1798) beherrscht, Meinungsmacherin der so genannten „ultramontanistischen“ Partei, die am Rhein übermächtig war. Dort berief man sich nur auf die Weisungen der päpstlichen Kurie. Seit 1819 gab es auch die „Preußische Staatszeitung“.  Über sie wurden in erster Linie Bekanntmachungen aus Berlin oder, noch schlimmer: Düsseldorf, verbreitet.

Am 1. Januar 1842 erschien die erste Ausgabe der "Rheinischen Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe". Herausgeber war Bernhard Rave. Eine Marionette, eingesetzt von den wirklichen Konzeptionisten, die jedoch im Hintergrund blieben, um nicht die Aufmerksamkeit der preußischen Regierung auf sich zu ziehen.  

Der erste Artikel von Marx erscheint am 5. Mai 1842. Es handelt sich um eine Schmährede auf die „Preußische Staatszeitung“ – sehr gefährlich in einer Zeit, in der sich im gesamten Rheinland bürgerlich-liberale oder nationale Bewegungen gründen und den preußischen Polizeiapparat in Alarmbereitschaft versetzen. Gustav von Mevissen war einer der Herausgeber der Rheinischen Zeitung, Moses Hess ein bedeutender Verfasser von, sagen wir einmal - relativ-unpreußischen Artikeln. Und hier liegt auch das Problem: Anpassung oder Kritik. Was ist möglich?

Der erste Artikel des junge Hitzkopfs Marx ist voll philosophischer Beispiele, glühender Aufrufe und komplizierter Vergleiche aus Philosophie und Politik:

[…] Die erste notwendige Bedingung der Freiheit ist aber Selbsterkenntnis, und Selbsterkenntnis ist eine Unmöglichkeit ohne Selbstbekenntnis. […]

[…] Goethe sagt einmal, dem Maler glückten nur solche weibliche Schönheiten, deren Typus er wenigstens in irgendeinem lebendigen Individuum geliebt habe. Auch die Preßfreiheit ist eine Schönheit - wenn auch gerade keine weibliche - die man geliebt haben muß, um sie verteidigen zu können. Was ich wahrhaft liebe, dessen Existenz empfinde ich als eine notwendige, als eine, deren ich bedürftig bin, ohne die mein Wesen nicht erfülltes, nicht befriedigtes, nicht vollständiges Dasein haben kann. Jene Verteidiger der Preßfreiheit scheinen vollständig da zu sein, ohne daß die Preßfreiheit da wäre. […]

Als er am 15. Oktober 1842, 24-jährig,  Chefredakteur der Zeitung wird, schlägt er jedoch eine ganz andere, softere, Linie ein. Er will unbedingt, dass die Preussen keinen Grund finden, die Zeitung zu verbieten. Darum verbietet er seinen Redakteuren, „sozialistische Erörterungen“ zu schreiben. "Die wahre Theorie", so Marx, "muss innerhalb konkreter Zustände und an bestehenden Verhältnissen klargemacht und entwickelt werden" […] 
Der Junge Marx als Verleger, foto: http://www1.wdr.de
In den folgenden Monaten gelingt es ihm, die Auflage der Zeitung enorm zu steigern. Statt 1000 verkauft man nun 3300 Expemplare. Über Marx schreibt der Historiker Jürgen Herres von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin: "Er ist in der Lage, geistreiche Kritik zu leisten, die für jeden fühlbar radikal ist, ohne dass sie direkt von der Regierung verboten werden kann".

Am 18. März 1843 gibt Karl Marx seinen Rücktritt vom Chefredakteursposten bekannt. Damit verhindert er im letzten Moment das Verbot der Rheinischen Zeitung durch die preußische Regierung. Karl Marx hatte versucht, durch die Entwicklung eines ganz neuen Schreibstils, die Zensur der Behörden zu umgehen. Es dauerte trotzdem nur fünf Monate, bis auch diese Form der kritischen Berichterstattung von seinen Gegnern erkannt wurde. Um die eigene Sache nicht der vollkommenen Zerstörung preiszugeben, entschied sich Karl Marx, Köln und Preußen hinter sich zu lassen. 

Trotz dieser für ihn bitteren Enttäuschung, nutzte er das nun folgende Exil im Ausland, um seine Erfahrungen für die Entwicklung einer neuen Gesellschaftsordnung einzusetzen. Nach Köln begann er die Arbeit am Kommunistischen Manifest.

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